Portraitfoto von Anass

“In der Schule habe ich Volleyball immer gehasst.” Ein Interview von einem Beachvolleyball-Quereinsteiger

Anass Bareha hat das Turnierjahr 2022 mit einem zwölften Platz in der Herrenrangliste des WVV Beachvolleyball-Portals abgeschlossen und sich seinen Traum von einer Teilnahme bei den Westdeutschen Meisterschaften erfüllt. Im Interview erzählt er von seinem Werdegang als absoluter Beachvolleyball-Quereinsteiger, der sich in wenigen Jahren in der NRW-Spitze etabliert hat und gibt aufstrebenden Spieler*innen Tipps aus seiner Erfahrung, wie man sportliche Erfolge erzielt.

Hallo Anass, du wurdest nicht nicht klassisch im Volleyball ausgebildet und hast erst im Erwachsenenalter angefangen zu spielen. wie waren deine ersten Berührungspunkte mit dem Sport Beachvolleyball?

In der Schule hatte ich das erste mal mit Volleyball zu tun. Damals habe ich den Sport immer gehasst. Das Spielen war langweilig weil Punkte meist nur aus Aufschlägen oder Fehlern zustande kamen und unsere Lehrer*innen uns nicht viel zu Spieltechniken erklären konnten. Mit Anfang 20 kam ich dann im Jahr 2012 nach Deutschland und wurde von Andrea, einer Freundin, auf den Sport aufmerksam. Sie hatte mich gefragt ob ich nicht mal mit zum Volleyball kommen möchte. Ich war vor allem froh über die Gelegenheit in Deutschland neue Leute kennenzulernen, weil ich mir hier unbedingt ein eigenes Leben aufbauen wollte. Dadurch habe ich tatsächlich auch das erste mal im Sand Volleyball gespielt. Die Dynamik und Athletik in dem Sport hat mich sofort fasziniert. Ich habe es geliebt mich in den Sand werfen zu können und Bällen hinterher zu hechten. Durch das Spielen habe ich dann viele andere Leute kennengelernt und den ganzen Sommer über gezockt.

Stichwort Athletik: Warst du vor deiner "Beach-Zeit" schon sportlich?

Ja, in meiner Jugend habe ich lange und recht ambitioniert Fußball gespielt. Das hat mir insofern etwas gebracht, dass ich grundsätzlich sportlich war und aus der Zeit schon viel Ballgefühl mitgenommen habe. Als ich angefangen habe Beachvolleyball zu spielen, habe ich jedoch gemerkt dass bei diesem Sport im Gegensatz zum Fußball jede der beiden Personen im Team sehr viel Verantwortung im Spiel trägt. Beim Fußball hatte ich immer das Gefühl, dass man sich an schlechten Tagen auch “hinter seiner Mannschaft” verstecken kann, wenn man mal einen nicht so guten Tag hat. Wenn du beim Beachvolleyball einen schlechten Tag hast, ist das für deinen Partner sehr schwer zu kompensieren. Das war für mich sehr faszinierend.

Wie ging's weiter mit dem Beachvolleyball?

Im Sommer 2012 habe ich bei einem Training vom Hochschulsport Eugen kennengelernt, der mich das erste mal ermutigt hat Turniere zu spielen. Er sagte mir, dass ich durch meine Größe und Athletik sehr viel Potenzial mitbringe weil ich mich wirklich schon schnell durch den Sand bewegen und hoch springen konnte. Im nächsten Jahr habe ich dann angefangen meine ersten Turniere zu spielen und mich auf den ersten C- und D-Cups ausgelebt. Damals gab es selbst bei diesen Turnieren noch kein Pool-Play und so sind wir regelmäßig “one two”-gegangen. Mir war das egal, ich habe kleine Erfolge gefeiert. Das erste gewonnene Spiel auf einem C-Turnier hat sich großartig angefühlt. Daran erinnere ich mich heute noch. Im Laufe der nächsten zwei Jahre habe ich viel gespielt und viel ausprobiert. Der Beachclub2000 hat damals schon Trainings angeboten, davon habe ich sehr profitiert. Dadurch habe ich dann Schilli (Anm. d. Verf.: Katharina Schillerwein) kennengelernt, die damals auch die Smart-Beach-Tour, die damals höchste Deutsche Turnierserie, gespielt hat. Mit ihr habe ich mich direkt gut verstanden. Auch sie hat mich für meine Athletik gelobt und mir viele Tipps zu meinen Spieltechniken mitgegeben.

Anass beim Beachvolleyball in der Annahme
Anass im Training bei der Vorbereitung auf die Westdeutschen Meisterschaften

Wie lange hat es gedauert, bis die ersten Turniererfolge spürbar waren?

Jeder Turnier-Neuling weiß, der Anfang ist hart und man muss damit Leben bei Turnieren erstmal auf die Schnauze zu bekommen. Ich habe mich davon nicht entmutigen lassen und nach zwei bis drei Jahren Spielen auch mal meine ersten C-Turniere gewonnen. Irgendwann zu der Zeit habe ich bei einem Turnier zufällig Schilli wieder getroffen. Sie hat mich sehr für meine Entwicklung gelobt und mich gefragt, ob ich nicht mal bei einem Training von ihr und Cinja Tillmann aushelfen möchte. Ich habe liebend gerne zugesagt und weiß auch noch wie aufgeregt ich war, mit echten Profis trainieren zu können. Den kommenden Sommer durfte ich immer mal wieder beim Training mit den Profis aushelfen. Auch wenn ich im Nachhinein sicher bin, dass ich nicht immer der erste war der angefragt wurde.

Im Training war ich auf einmal ein Balljunge und jedes mal total nervös, wenn ich einen Ball für Cinja verworfen habe.

Was hat dir das Training mit den Profis gebracht?

In den Einheiten ging es natürlich in erster Linie um den Trainingserfolg von Schilli und Cinja. Vor allem von dem Wissen der Trainer konnte ich aber sehr profitieren. Anfangs hatten wir Training bei Till Kittel, später bei Stuhli (Anm. d. Verf.: Klaus-Martin Stuhlmann) und Hans Voigt, die in Deutschland als Trainer-Legenden gelten und schon viele Profis trainiert haben. Durch sie habe ich erst angefangen mich mit den biomechanischen Abläufen im Körper zu beschäftigen, die beim Beachvolleyball ablaufen. Der Sport war auf einmal eine ganz andere Welt. Vorher hätte ich nie auch nur daran gedacht, mich beim Shot zum Beispiel mal nur darauf zu konzentrieren, was eigentlich mein Handgelenk dabei so macht. Um dann im nächsten Schritt die Aufziehbewegung zu trainieren und dann beides zu kombinieren. Durch einen Zufall durfte ich dann auch ein paar mal bei Trainings mit David Poniewaz und weiteren erfolgreichen Spielern aushelfen. Von denen konnte man natürlich einiges lernen. 

Hat das Training mit den Profis deine eigenen Ambitionen verändert?

Mein Ziel war lange Zeit einfach gut zu spielen und mich zu verbessern. Natürlich habe ich gemerkt, dass ich bei den lange ausgebildeten Profis am unteren Ende der Nahrungskette bin und es wahrscheinlich nicht schaffen werde international zu spielen. Schließlich war Beachvolleyball bei mir immer ein sehr amibitioniertes Hobby, dem ich mich neben meinem Alltag aber nie so sehr hingeben konnte wie Personen, die den Sport beruflich ausüben. Im Jahr 2018 hat sich dann bei mir im Job einiges getan. Ich habe ein Praktikum angefangen und konnte deswegen nicht mehr so oft mittrainieren. Außerdem hatte ich zu der Zeit keinen passenden Turnierpartner, mit dem ich sowohl menschlich als auch spielerisch harmoniert habe. Ich war in der Zeit etwas frustriert vom Beachvolleyball, da ich das Gefühl hatte in meiner Entwicklung zu stagnieren. Bei ein paar Turnieren schnitten wir teilweise sogar schlechter ab als einige Jahre zuvor. Ich erinnere mich daran, dass wir bei einem C-Turnier noch nicht einmal ins Halbfinale gekommen sind. Das war schon frustrierend. Die ganzen Turniere jedes Wochenende wurden mir auch einfach zu viel. In den nächsten beiden Jahren habe ich mich daraufhin sehr von Turnieren zurückgezogen und vom Beachvolleyball etwas Abstand genommen.

Anass und sein Spielpartner Lasse Wolf

Inwiefern hat dir dieser Rückschritt langfristig vielleicht doch etwas gebracht?

Ich habe vor allem gemerkt, dass ich einen Partner brauche mit dem ich mich gut verstehe um Spaß am Spiel zu haben und somit auch Erfolge erzielen zu können. Natürlich war ich dem Beachvolleyball aber nie ganz fern und habe irgendwann in einer Trainingsgruppe Jan Romund kennengelernt, der zu der Zeit schon ein paar mal in Timmendorf bei den Deutschen Meisterschaften mitgespielt hatte. Die Gruppe hat mir den Spaß am Beachvolleyball zurückgebracht und ich habe gemerkt, dass ich bei dem Spielniveau immer noch gut mithalten konnte. Außerdem habe ich zu dieser Zeit einen neuen Turnierpartner, Holger Schmidt, kennengelernt. Holger, ein sehr erfahrener Turniespieler, hat in mir die Lust auf Beachvolleyball-Turniere neu entfacht. Jan widerum hat mich immer wieder ermutigt, mich einfach mal auf A-Turnieren auszuprobieren, an die ich mich bis dahin noch nicht wirklich heran getraut hatte. Dieser Zuspruch von so einem erfahrenen und erfolgreichen Spieler hat mir neues Selbstvertrauen und neue Motivation gegeben. In diesen Jahren habe ich zum Beispiel die Technik meines oberen Zuspiels aufgebrochen und mir mein Pritschen komplett neu beigebracht. Die ersten A-Turniere habe ich 2022 gespielt und sie liefen überraschend gut, sodass ich mich sogar in diesem Jahr schon für die Westdeutschen Meisterschaften qualifizieren und da schlussendlich auch mit einem fünften Platz abschließen konnte.

Du bist jetzt 32 und hast mal gesagt, du seist im Moment an deinem Leistungspeak. Was sind deine weiteren Ziele im Beachvolleyball?

Das ist eine Frage… vor allem ist mir wichtig, mich nach wie vor weiter kontinuierlich zu verbessern und eine Entwicklung zu bemerken. Egal ob in Punkto Ballkontrolle, einzelnen Spieltechniken oder mental. Dabei werde ich mich aber nicht unter Druck setzen. Wenn du mich nach einem messbaren Ziel fragst, möchte ich mich weiter konstant auf A-Turnieren und A+-Turnieren als Spieler etablieren und da gute Ergebnisse erzielen. Vielleicht gewinne ich in Zukunft ja auch noch mal eins…

Wenn du rückblickend auf deine eigene Entwicklung schaust: Was möchtest du jungen Turnierspieler*innen auf den Weg geben?

Mein erster Rat ist vor allem, geduldig mit sich selbst zu sein. Im Beachvolleyball spielt sich sehr viel im Kopf ab. Wenn du dein Spiel verbessern möchtest, arbeite kontinuierlich daran und lasse dich nicht entmutigen wenn die Erfolge zunächst auf sich warten lassen. Ich habe viele Spieler*innen gesehen, die sich sehr unter Druck gesetzt und in kurzer Zeit sehr viel trainiert haben, um dann frustriert zu sein weil sich der Aufwand nicht schnell genug in Ergebnissen widergespiegelt hat. Mir tat es außerdem immer wieder gut mal eine kurze Zeit lang etwas Abstand vom Sport zu gewinnen und vielleicht ein paar Wochen mal nicht Beachvolleyball zu spielen, um danach wieder voller Leidenschaft dabei zu sein.
Und als letzten Punkt: Setze dir sportliche Ziele und reflektiere diese konstant. Die Ziele müssen ja auch nicht unbedingt leistungsbezogen sein. Vielleicht nimmst du dir vor dieses Jahr dein Zuspiel zu verbessern, den Topspinaufschlag zu lernen oder dritter bei einem C-Turnier zu werden. Es ist auch vollkommen okay deine Ziele immer wieder anzupassen, wenn du merkst dass diese zu hoch oder zu niedrig angesetzt waren. Durch einen realistischen Blick auf dich und deine Ziele erreichst du, dass dir der Spaß am Spiel nicht verloren geht, der die Grundvoraussetzung ist um erfolgreich zu sein.

2 Kommentare zu „“In der Schule habe ich Volleyball immer gehasst.” Ein Interview von einem Beachvolleyball-Quereinsteiger“

  1. Ein sehr schöner Artikel. Das ist sehr motivierend auch für andere. Beachvolleyball ist nicht nur attraktiv, sondern fördert auch die Gesundheit. Natürlich sollte man auch darauf achten, dass der Platz sauber ist. Gerade wenn man vielleicht barfuss spielt, möchte man sich nicht unbedingt verletzten. Zum Glück gibt es an manchen Orten Personal, die sich mit Sandreinigungsmaschinen um die Verschmutzung kümmern. Das macht dann das Beachvolleyball noch attraktiver.

  2. Der lockere Ton des Interviews fühlt sich an, als würde man mit Freunden bei einem Strandgespräch sitzen. Es geht nicht nur um die Technik des Beachvolleyballs; es geht um die persönlichen Geschichten und die Leidenschaft, die den Sport lebendig werden lassen.

    Liebe Grüße,
    Sandra

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